Wie alles begann

Alles begann mit einem Traum. Dem Traum, selber Theater zu spielen. Auf der Bühne zwei getrennte Welten zu vereinen – die Welt der Gehörlosen und die Welt der Hörenden.

Gehörlose sind visuelle Menschen, ihre Sprache ist die Gebärdensprache, Mimik und Gestik sind zentral. Hörende verlassen sich Tag und Nacht auf ihr Gehör, ihre Sprache ist das laut gesprochene Wort. Diese beiden (Sprach-)Kulturen leben im Alltag nebeneinander, selten miteinander: Man sieht sich, versteht sich aber nicht.

In vielen Ländern haben Gebärdensprachtheater, ja sogar Festivals, eine lange Tradition - Theater von Gehörlosen für Gehörlose. So, wie Hörende für Hörende Theater machen. Auch hier: Man bleibt unter sich. Gehörlose sind praktisch ausgeschlossen vom kulturellen Leben. Beispiele: Wenige Filme mit Untertiteln in den Kinos, sehr wenige Theaterstücke und andere Kulturveranstaltungen, die simultan in Gebärdensprache übersetzt werden. In der Schweiz gab es lange Zeit gar kein Theater in Gebärdensprache. Hörende Theaterschaffende engagierten hie und da für einzelne Stücke gehörlose Schauspieler*innen. 

Im Jahr 2002 begann ein halbes Dutzend Kulturschaffende, zwei Gehörlose und vier Hörende, das Miteinander zu proben. Die Idee: Ein Kulturanlass von Gehörlosen und Hörenden für Gehörlose und Hörende. Der Name: taktvoll. Der Ort: Das Kulturzentrum Alte Kaserne in Winterthur. Die erste Veranstaltung war klein und fein, mit Perkussion und Tanz, Pantomime und Poesie in Gebärdensprache. 

Nach dem zweiten taktvoll fragten sich einige Beteiligte: Warum verschaffen wir uns Gehörlosen nicht selber Zugang zum Theater – und den Hörenden zur Gehörlosenkultur? Warum machen wir nicht selber Theater? Gemeinsam, Hörende und Gehörlose miteinander! Ein Projekt, bei dem sich Gebärden- und Lautsprache treffen und vermischen, sich zwei Kulturen begegnen und daraus eine neue entsteht. Ein Projekt mit Zukunft, mit Profis und Laien. Offen für alle. So begann der Traum vom eigenen Theater.

Mit viel Feuer im Herzen legten die Initianten los. Sie trommelten Interessierte zusammen, besuchten andere Theatergruppen, Vorstellungen in Schauspielhäusern, die Oper. Sie suchten Geld, Kurslokale und den Kontakt zu Profis, veranstalten mit ihnen Theater-Workshops und planten zusammen mit den Organisatoren von taktvoll sogleich Grosses: ein Spektakel ohne Worte, mit vierzig Beteiligten, Gehörlose und Hörende, eine Mischung aus Theater, Tanz, Zirkus und Artistik. Regie führte Paul Weibel (u.a. Karl's kühne Gassenschau). Die aufwändige Eigenproduktion Zelia – ein Stück Kulturvielfalt für alle Sprachen hatte im Herbst 2005 Premiere. Achthundert Personen sahen die zwei Vorstellungen. Das Feuer fürs Theater brannte. Die Devise lautete: Dranbleiben, weitermachen! So entstand TheaterTraum.

Zu den treibenden Kräften gehörten die Gebärdensprachdolmetscherin Lilly Kahler (sie übersetzt u.a. live Konzerte, Poesie und Theater) und Ruedi Graf, Geschäftsführer von sichtbar GEHÖRLOSE ZÜRICH. Zusammen mit der Zürcher Hochschule der Künste ZhdK, Gebärdensprachpoet*innen aus England und Deutschland veranstalteten sie Theaterkurse, an denen zwanzig Gehörlose und Hörende teilnahmen. Nach einem Casting begann die Arbeit für die erste Eigenproduktion: ein «work in progress» mit und ohne gesprochene Worte, mit Gebärden und Simultanüberstzung, unter professioneller Regie. Im Sommer 2007 fand in der Roten Fabrik in Zürich die Premiere des ersten, eigenen Stücks statt: Nachtflattern. TheaterTraum wurde Realität. Weitere Stücke folgten: SCH (2008, Strassentheater), Neuland (2009), nett.working (2010-2012), LISTEN (2013-2014, Tanzproduktion). Weitere folgen...

Nach 10 Jahren war es an der Zeit einen neuen Namen zu suchen. Die meisten Träume waren erfüllt, und TheaterTraum machte längstens mehr als nur Theaterproduktionen.

Ab 1. Januar 2015 heisst TheaterTraum movo.